Ich stelle mal eine gewagte These auf: Ich behaupte, dass ein Großteil der derzeit häufigsten Hautprobleme wie Reizung, Irritation und Trockenheit fast immer durch eine falsche Hautreinigung entstehen.
Warum? Die Kosmetikindustrie setzt den Hautreinigungsprodukten sehr häufig extrem starke Tenside (Reinigungsmittel) zu, welche unsere natürliche Hautbalance außer Lot bringen können. Und das führt zu unterschiedlichsten, unangenehmen Begleiterscheinungen auf unserer Haut. Hautreinigung ist wichtig – gar keine Frage. Aber in der heutigen Zeit die richtigen Produkte zu finden, gründlich und schonend zugleich, ist nicht so einfach wie du vielleicht denkst.
Besonders tricky: durch Werbeaussagen wie „seifenfrei“ nehmen wir an, dass das Produkt besonders sanft ist. Dies ist leider nur selten der Fall.
In diesem Artikel gehe ich deshalb intensiv darauf ein, worauf du bei Hautreinigung achten solltest, welche Tenside du besser meidest und welche eine wirkliche Alternative darstellen.
Wozu Tenside in Kosmetik?
Der Begriff Tensid stammt vom lateinischen „tensus“, was so viel wie „gespannt“ bedeutet. Tenside werden auch als waschaktive Substanzen oder Detergentien bezeichnet. In Hautpflegeprodukten findet man sie in allen reinigenden Produkten wie Shampoo oder Reinigungsschaum aber auch als Emulgator in allen möglich Cremes, da durch ihren Einsatz Fett- und Wasserphase erst zu einer Creme vermischt werden können. Dieser Artikel bezieht sich auf Tenside in Hautreinigungsprodukten, weil insbesondere diese oft in für die Haut kritischen Mengen eingesetzt werden. Wer sich zum Thema Emulgatoren schlau machen möchte, hier hatte ich bereits einen Artikel zum Thema PEGs verfasst.
Bei Tensiden handelt es sich um Substanzen mit amphiphilen Eigenschaften. Das bedeutet, dass die Oberflächenspannung zweier Phasen, z. B. Wasser und Öl, herabgesetzt wird und dadurch erst eine Vermischung beider Substanzen möglich wird. Wie bei einer fettigen Pfanne, wo erst unter Zugabe von Spülmittel die Reinigung mit Wasser ermöglicht wird, sorgen Tenside in Kosmetik dafür, dass sich lipidlösliche Rückstände auf der Haut mit Wasser entfernen lassen. Tenside in Kosmetik haben also eine wichtige Aufgabe, weil wir unsere Haut alleine mit Wasser nicht gründlich von Schmutz befreien können.
Zusätzliche fungieren Tenside als Schaumbildner. Schaum selber hat keinen reinigenden Charakter, er erweckt bei uns lediglich diesen Eindruck – dank guten Marketings der Kosmetikindustrie. Meiner Meinung nach ist Schaum nicht nur völlig überflüssig, starke Schaumbildung steht auch in enger Verbindung mit besonders aggressiven Tensiden. Aber dazu gleich mehr.
Warum ist Hautreinigung überhaupt wichtig?
Neben den negativen Aspekten der meisten Hautreinigungsmittel wie Austrocknung und Reizung dürfen wir eines nicht vergessen: die Hautreinigung ist ein wichtiger Teil der Hautpflege. Denn auf unserem Hauttalg binden sich mit Vorliebe Schadstoffe und Verunreinigungen aus der Umwelt (Schadstoffe sind meist fettlöslich und nicht wasserlöslich), welche unbedingt entfernt werden sollten. Auch überschüssiger Talg und Make-up vom Tag müssen weg. Gründliche, aber sanfte, Hautreinigung ist essentiell – besonders am Abend.
Welche Tenside in Kosmetik gibt es?
Es gibt vier primäre Tensidarten, welche man in Hautreinigungsprodukten findet. Diese unterscheiden sich nach ihrer chemischen Ladung: anionische, kationische, amphotere und nichtionische Tenside. In Kosmetikprodukten findet man sehr oft nicht nur eine Art, sondern eine Mischung der nachfolgenden Tensidarten vor.
Anionische Tenside
Tenside, welche eher in konventionellen Produkten zu finden sind. Sie verfügen über eine negative Ladung und eine hohe Reinigungskraft, wodurch sie zu einer Austrocknung und Reizung der Haut führen können. Vom Anteil werden sie, verglichen mit anderen Tensidarten, am häufigsten eingesetzt.
Nachteile:
- starke Reinigungskraft
- starke Schaumbildung
- hohes Irritations- und Austrocknungspotenzial
Beispiele:
- Sodium Lauryl Sulfate
- Sodium Laureth Sulfate
- Sodium Cetearyl Sulfate
- Sodium Coco Sulfate
Fazit: Anionische Tenside zählen zu den schärfsten Tensiden in Hautreinigungsmitteln. Unter diese Kategorie fallen insbesondere Sulfate (in der INCI-Liste an der Endung „Sulfate“ erkennbar) und verseifte Fettsäuresalze (bekannt als Seife). Diese Tenside sollten für eine hautschonende Reinigung möglichst gemieden werden.
Kationische Tenside
Diese Tenside besitzen eine positive Ladung und dadurch eine weniger reinigende Wirkung, dennoch kann man sie nicht als sanft bezeichnen. Durch ihre Ladung lagern sie sich an Haut und Haar und helfen danke ihrer antistatischen Wirkung z.B. gegen fliegende Haare. Der Haupteinsatz in Kosmetik ist daher auch im Bereich der Haarpflege (Conditioner und Kuren). Bestimmte kationische Tenside wirken zudem biozid, weshalb sie auch als Desinfektionsmittel eingesetzt werden.
Nachteile:
- Irritationspotenzial
Beispiele:
- Cetrimonium chloride
- Stearalkonium chloride
Fazit: Diese Tenside spielen in Hautreinigung eine untergeordnete Rolle, da sie aufgrund der antistatischen Wirkung eher in Haarpflege eingesetzt werden. Dennoch gelten sie nicht als sanft.
Amphotere Tenside
Diese Tenside fungieren sehr oft als Co-Tenside, da sie abhängig von der Produktformulierung entweder positiv oder negativ geladen sein können und durch diesen Umstand gut kombinierbar sind. Gerne werden sie auch zusammen mit anionischen Tensiden verwendet, da sie in der Lage sind die starke Reinigungswirkung abzumildern. Ob amphotere Tenside am Ende mild wirken, hängt stark mit der Gesamtformulierung ab. Grundsätzlich gelten sie aber als mildere Variante zu anionischen und kationischen Tensiden.
Nachteile:
- Irritationspotential stark abhängig von Produktformulierung und genereller Tensidkombination
Beispiele:
- Sodium Lauriminodipropionate
- Disodium Lauroamphodiacetate
- Coco Betaine
- Lauryl Betaine
Fazit: Amphothere Tenside sind gute alternativen zu starken Tensidarten. Wie sanft das Produkt wirkt, ist am Ende aber stark von der Formulierung abhängig (Mischung mit anderen Tensiden, pH-Wert des Reinigungsprodukts).
Nichtionische Tenside
Nichtionische Tenside besitzen keine chemische Ladung. Das macht sie ebenfalls zu beliebten Kandidaten für Mischungen unterschiedlicher Tensidarten: sie verhalten sich neutral und sind vielseitig kompatibel. Zusätzlich sind sie in der Lage, ähnlich wie amphothere Tenside, stärkere Tenside abschwächen. Alleine eingesetzt, wirken diese Tenside in Kosmetikprodukten mild und hautverträglich. Dadurch dass sie wenig Schaum bilden werden sie hauptsächlich in Naturkosmetik eingesetzt, weniger in konventioneller Kosmetik.
Nachteile:
- Reinigungswirkung kann, abhängig von Produktformulierung, zu schwach sein
Beispiele:
- Polysorbate
- Glyceryl Oleate
- Glyceryl Stearate
- Lauryl Glucoside,
Fazit: Nichtionische Tenside sind, allein eingesetzt, geeignet für eine milde Hautreinigung. Auch wenn diese Tenside in der Regel wenig Schaum bilden, sind sie für eine hautfreundliche Reinigung geeignet. Gängige Vertreter sind z.B. Glucoside (erkennbar in der INCI-Liste an der Endung „Glucoside“).
Hautreinigungsmittel – von aggressiv über sanft
Aufgrund der vielen unterschiedlichen Tenside ist es schwer, sich einen Überblick darüber zu verschaffen ob ein Produkt tatsächlich mild ist – hier hilft es, etwas Hintergrundwissen über unterschiedliche Produktarten von Hautreinigungsmitteln zu haben.
Reinigungsschaum
Dadurch das der Schaum im Fokus steht, sind die Produkte oft die mit der aggressivsten Reinigungswirkung. Schaum wird vor allem für fettige oder unreine Haut angeboten – ist selbst aber für diesen Hauttyp viel zu stark. Vor Reinigungsschaum mit starken Tensiden rate ich jedem Hauttyp ab.
Reinigungsgel
Auch Reinigungsgel, vor allem in der konventionellen Kosmetik, schäumt meist sehr stark und enthält in den meisten Fällen, weil eher für Mischhaut oder unreine Haut, starke Tenside.
Reinigungsmilch
Das Prinzip der Hautreinigung durch eine Reinigungsmilch unterscheidet sich von den anderen Produktarten. Die Reinigungsmilch liegt bereits als Emulsion vor (Fett- und Wasserphase wurden schon vermischt), wodurch die Menge an Tensiden deutlich reduziert werden kann. Deshalb ist es auch ausreichend die Milch auf das Gesicht aufzutragen, ohne diese mit Wasser zu vermischen. Sie wird lediglich mit einem trockenen Wattepad oder etwas Wasser abgenommen. Reinigungsmilch wird vor allem für empfindliche oder trockene Haut angeboten. Sie kann auch bei unreiner Haut angewendet werden, hier muss aber sichergestellt werden, dass keine Rückstände auf der Haut verbleiben. Generell bietet sich hier als Abschluss ein Gesichtswasser an. Insgesamt ist diese Produktart mild.
Hydrophiles Reinigungsöl
Reinigungsöl basiert auf reinen Ölen gemischt mit Tensiden. Es wird pur auf die Haut aufgetragen, einmassiert und dann, dank der enthaltenen Tenside, einfach mit Wasser abgewaschen. Durch diese Anwendung kommt es mit verhältnismäßig geringem Tensidanteil aus und gilt als eher hautfreundlich. Es kann von jedem Hauttyp verwendet werden, besonders trockenere Haut profitiert von diesem Produkt. Bei unreiner Haut ist wichtig, keine Rückstände der Öle auf der Haut zu hinterlassen und mit viel purem Wasser abzuwaschen.
Mizellenwasser
Das Mizellenwasser gilt als sanfte Alternative zu herkömmlichen Reinigungsprodukten wie Reinigungsgel und –schaum. Was macht Mizellen so besonders? Normalerweise ordnen sich die Tensid Moleküle in einer wässrigen Lösung nicht an, sondern schwimmen frei herum. Wird die CMC (Critical Micelle Concentration) erreicht, formen sich aus den freien Molekülen der Tenside Spheren mit einem wasserliebenden äußeren Teil und einem inneren fettliebenden Teil. Durch diese Anordnung ist die Reinigungswirkung sehr sanft. Am Ende ist es aber immer von einer guten Formulierung abhängig (sodass die ideale CMC hergestellt wird) und von der eingesetzten Tensidart. Hier findest du weitere Informationen.
Mikrofasertuch
Das Mikrofasertuch zeichnet sich durch seine besonders feinen und dichten Fasern aus. Es wird nass angewendet und dient der sanften Hautreinigung und zusätzlich der Entfernung von Hautschüppchen. Besonders vorteilhaft ist, dass zur Reinigung weder Tenside noch andere Zusatzstoffe verwendet werden. Dies schont die Hautbarriere. Damit ist das Mikrofasertuch ideal bei empfindlicher oder irritierter Haut und kann auch bei erweiterten Äderchen und Couperose verwendet werden. Wichtig ist, bei der Verwendung nur wenig Druck auszuüben.
Welche Hautreinigung ist besser: natürlich oder synthetisch?
Pauschal kann ich weder Naturkosmetik noch konventionelle Kosmetik im Bereich der Hautreinigung empfehlen. Oftmals lohnt es sich aber trotzdem, eher im Bereich der Naturkosmetik nach sanften Hautreinigungsmitteln zu schauen. Denn: viele scharfe Sulfate, die sehr gängig in der konventionellen Kosmetik sind, werden in zertifizierter Naturkosmetik nicht verwendet. Allerdings muss man dort aufpassen, dass nicht unnötige Alkohole und/oder Duftstoffe eingesetzt werden. Die Möglichkeit, eine sanfte Alternative in der Naturkosmetik zu finden, ist aber insgesamt etwas höher.
Natürlich gibt es auch in der konventionellen Kosmetik sehr gute Produkte – man muss sie einfach nur finden.
Fazit
Es ist schwer, alle möglichen Tensidarten zu kennen und einzuschätzen, ob diese zu den aggressiveren Varianten zählen. Gemein ist, dass selbst für sensible Haut gekennzeichnete Produkte sehr oft alles andere als sanft sind. Als Faustregel gilt: Je stärker es schäumt, desto höher ist der Tensidanteil.
Tenside die man aber möglichst immer meiden sollte sind Sulfate, die sich auch einfach in der INCI-Liste aufgrund ihrer Endung „Sulfate“ erkennen lassen. Gängige Vertreter sanfter Tenside sind unter anderem Glucoside, die man ebenfalls gut in der INCI-Liste aufgrund ihrer Endung „Glucoside“ identifizieren kann.
Im Zweifelsfall muss man aber immer die gesamte INCI-Liste auseinandernehmen. An dieser Stelle ist mein Ratgeber erwähnt, der dir dabei hilft die Inci-Liste lesen zu lernen.
Wer all das nicht möchte kann sich an sanften Produktarten orientieren. Hier ist besonders Reinigungsmilch, Reinigungsöl, Mizellenwasser und das Mikrofasertuch erwähnenswert.
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